Interdisziplinäres Zentrum für Kognitive Sprachforschung
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Abstract Skirl

Emergente Merkmale beim Verstehen innovativer Metaphern — der Einfluss von sprachlichem Kotext und konzeptuellem Kontext

Innovative Metaphern – z. B. ausgedrückt in Tulpen […] sind Asylanten (Henning BOËTIUS, Das Rubinhalsband, München 1998, 46) – repräsentieren ungewöhnliche Kombinationen zweier kognitiver Domänen: Dabei wird die Zieldomäne (hier: TULPEN) mithilfe der Ur-sprungsdomäne (hier: ASYLANTEN) näher charakterisiert. Welche konzeptuellen Merkmale die Ursprungsdomäne dabei zur Verfügung stellen soll, kann oft nicht über die bloße Kombinati-on von Ursprungs- und Zieldomäne bestimmt werden, da diese Kombination selbst interpreta-tionsbedürftig ist. In der Textrezeption wird das Verstehen innovativer Metaphern durch sprachlich explizite Hinweise des Kotextes und durch konzeptuelles Kontextwissen (Welt- und Diskurswissen) beeinflusst. Bei den Merkmalen, die schließlich von der Ursprungsdomä-ne auf die Zieldomäne projiziert werden, handelt es sich oft um emergente Merkmale, also um Merkmale, die kein genuiner Bestandteil der Ursprungsdomäne sind und auch nicht direkt aus ihr hergeleitet werden können (s. SCHWARZ-FRIESEL 2004: 86, SKIRL i. Vorb.).

Um innovative Metaphern und ihre emergenten Merkmale in der Kognitiven Linguistik erfas-sen zu können, haben GRADY/OAKLEY/COULSON (1999) die Blending-Theorie (“blending theory”) von FAUCONNIER und TURNER (S. Z. B. FAUCONNIER/TURNER 2002) auf das Phäno-men der Metapher übertragen. Die Modellierung lässt jedoch den entscheidenden Einfluss von Kotext und Kontext auf das Verstehen innovativer Metaphern außer Acht: Das Auftau-chen emergenter Bedeutungsmerkmale wird lediglich über die kognitive Interaktion von Ur-sprungs- und Zieldomäne erläutert (auch wenn die dabei involvierten Informationen der Blen-ding-Theorie entsprechend in vier “mental spaces” repräsentiert werden, die zusammen ein “conceptual integration network” konstituieren) (s. GRADY/ OAKLEY/COULSON 1999: 103-106; vgl. auch FAUCONNIER/TURNER in press).

Ich plädiere dafür, den Einfluss von Kotext und Kontext auf das Verstehen innovativer meta-phorischer Domänenkombinationen in die Modellierung einzubeziehen (vgl. CROFT/CRUSE 2004: 209, 221). Anhand von authentischen Beispielen innovativer Metaphern aus journalisti-schen Texten (vor allem der politischen Berichterstattung) und aus literarischen Texten (Prosa und Lyrik) möchte ich zeigen, wie das Verstehen von innovativen Metaphern – und damit das Auftauchen emergenter Bedeutungsmerkmale – über sprachlich explizite Informationen des Kotextes und über konzeptuelle Informationen des Kontextes gesteuert wird (s. SCHWARZ-FRIESEL/SKIRL i. Vorb.).

 

Literatur

FAUCONNIER, G./M. TURNER (2002): The Way We Think: Conceptual Blending and the Mind’s Hidden Com-plexities. New York.

FAUCONNIER, G./M. TURNER (in press): Rethinking Metaphor. In: GIBBS, R. W. (ed.): Cambridge Handbook of Metaphor and Thought. Cambridge: CUP.

CROFT, W./D. A. CRUSE, 2004. Cognitive Linguistics. Cambridge: CUP.

GRADY, J. E./T. OAKLEY/S. COULSON (1999): Blending and Metaphor. In: GIBBS, R. W. JR./G. J. STEEN (Eds.) (1999). Metaphor in Cognitive Linguistics. Selected Papers from the Fifth International Cognitive Lin-guistics Conference. Amsterdam, July 1997. Amsterdam, Philadelphia, 101–124.

SCHWARZ-FRIESEL, M. (2004): Kognitive Linguistik heute – Metaphernverstehen als Beispiel. Deutsch als Fremdsprache , 41. Jg., 2. Quartal, H. 2, 83–89.

SCHWARZ-FRIESEL, M./H. SKIRL (i. Vorb.): Metapher. Heidelberg: Winter. (= Kurze Einführungen in die ger-manistische Linguistik. 4; hrsg. von J. MEIBAUER u. M. STEINBACH)

SKIRL, H. (i. Vorb.): Emergenz als Phänomen der Semantik am Beispiel des Verstehens innovativer Metaphern. Emergente konzeptuelle Merkmale an der Schnittstelle von Semantik und Pragmatik. Dissertation, Jena.