Interdisziplinäres Zentrum für Kognitive Sprachforschung
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Abstract Noel

Zum Einfluss der Sprachverarbeitung auf die Etablierung universell präferierter rhythmischer Muster

Der Vortrag konzentriert sich auf die Frage der Evolution der rhythmischen Form, genauer der Grammatikalisierung universell präferierter Akzentmuster als „gefrorenes“ Ergebnis des Sprachverarbeitungsprozesses. Der typologische Vergleich zeigt, dass es rhythmische Konstellationen gibt, die in den Sprachen der Welt viel schlechter abschneiden als andere, Konstellationen die vermieden werden, auch wenn das bedeutet, dass ein einfaches Akzentsystem an Komplexität zunimmt.

Zur Illustration bietet sich eine Untersuchung streng binärer rhythmischer Systeme an (betont werden entweder alle geraden (x'xx'xx'xx'x) oder alle ungeraden Silben ('xx'xx'xx'xx) eines Wortes), denn sie sind insofern besonders ökonomisch, als sie eine mühelose Verfußung von Wörtern erlauben. Wie die Sprachrhythmusforschung zeigt, gibt es in den so organisierten Sprachen der Welt Asymmetrien bezüglich der bezeugten Muster. So sind in streng binären Systemen ternäre Füße am linken Wortrand nicht bezeugt (*'xxx'xx'xx'xx) – im Gegensatz zu ternären Füßen am rechten Wortrand ('xx'xx'xx'xxx).

Da der ökonomische Vorteil streng binärer Verfußung systematisch verletzt wird, stellt sich die Frage nach der Motivation dafür, insbesondere:

1) In welchen Konstellationen sind sowohl die Verletzung strenger Binarität als auch die Entstehung ternärer Füße wahrscheinlich?

2) Was sind die Gründe für Asymmetrien in den binären Akzentsystemen der Welt?

Als Antwort wird eine zweiteilige Lösung vorgeschlagen. Erstens: Das prosodische Wort, das üblicherweise in der Sprachrhythmusforschung als Domäne für die Verfußung angesetzt wird, bildet nicht grundsätzlich die Basisdomäne des Sprachrhythmus. Nur im Satz sind ternäre Füße in ansonsten streng binären Systemen motiviert; rhythmische Wohlgeformtheitsbedingungen für isolierte Wörter entsprechen also Wohlgeformtheitsbedingungen auf syntaktischer Ebene. Zweitens: Da Bezeugungslücken wegen ihrer Systematik wohl nicht willkürlich sind, könnte man schließen, dass nicht bezeugte Muster kognitiv komplexer sind als bezeugte. Daher werden Variablen der psycholinguistischen Forschung auf die Daten angewandt, insbesondere die Untersuchungen von Levelt et al., in denen die Kombination von Items analysiert wird. Die asymmetrische Verteilung ternärer Füße in streng binären Systemen legt nahe, dass rhythmische Systeme durch Beschränkungen kognitiver Art „modelliert“ werden. Besonders problematische rhythmische Konstellationen werden vermieden und resultieren in sprachübergreifend dispräferierten Mustern.