Interdisziplinäres Zentrum für Kognitive Sprachforschung
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Abstract Smirnova & Mortelmans

Die Konstruktion würde + Infinitiv als grounding predication

Unser Beitrag zielt darauf ab, die funktional-semantische Leistung der deutschen Konstruktion würde + Infinitiv aus der Perspektive der Kognitiven Grammatik zu beschreiben. Insbesondere beschäftigen wir uns mit der Frage, ob und inwieweit diese Konstruktion als grounding predication (vgl. Langacker 1991, 1999) angesehen werden kann.

Unsere These lautet, dass würde + Infinitiv im heutigen Deutsch zwei distinktive Lesarten aufweist, die sich aus seiner kompositionellen Beschaffenheit resultieren (vgl. Smirnova [demn.]). Einerseits tritt die Konstruktion als analytische Alternative zum synthetischen Konjunktiv II, vgl.:

„Das war, als hätte man einen Teddybär dabei“, erzählt die Managerin, „oder als würde man mit einem Menschen sprechen“ (Spiegel 1994, 36)

Andererseits bildet würde + Infinitiv ein formales Paradigma mit der indikativischen Konstruktion werden + Infinitiv und stellt hierbei eine durch die Konjunktiv II-Flexion modifizierte Variante der Letzteren dar, vgl.:

Martin Walser wusste am Vortag der Wahl noch nicht, wen er wählen würde (Spiegel 1994, 42)

Auf der theoretischen Grundlage des grounding-Konzeptes lässt sich der deutsche Konjunktiv II als ‚echte’ grounding predication auffassen (vgl. Mortelmans 2001). Durch den Konjunktiv II wird die dargestellte Situation hinsichtlich ihres Realitäts- bzw. Faktizitätsstatus in Bezug auf den impliziten modalen ground charakterisiert.

Die Konstruktion werden + Infinitiv dagegen, obwohl sie einen hohen Grammatikalisierungsgrad aufweist, lässt sich (noch) nicht als ‚echte’ grounding predication einordnen. Für eine solche Auffassung sind unter anderem Faktoren wie ihr expliziter Sprecherbezug (vgl. Fritz 2000, Mortelmans 2004) und die Möglichkeit, sowohl temporale als auch epistemische Referenzpunkte für die jeweilige Lesart als dominant anzunehmen, von entscheidender Bedeutung.

In unserer Untersuchung betrachten wir unterschiedliche Verwendungskontexte der Konstruktion würde + Infinitiv im Hinblick auf ihre oben genannten Hauptlesarten. Dabei versuchen wir zu zeigen, dass würde + Infinitiv in konjunktivischer Lesart als grounding predication analog zum Konjunktiv II fungiert. Die alternative Lesart dieser Fügung stellt dagegen eine durch die konjunktivische Flexion „gegroundete“ Variante der indikativischen Konstruktion werden + Infinitiv dar.

 

Literatur

Fritz, Thomas (2000): Wahr-Sagen: Futur, Modalität und Sprecherbezug im Deutschen. - Hamburg: Helmut Buske.

Langacker, Ronald W. (1991): Foundations of Cognitive Grammar. Volume II: Descriptive Application. - Stanford: Stanford University Press.

Langacker, Ronald W. (1999): Grammar and Conceptualization. - Berlin usw.: de Gruyter.

Mortelmans, Tanja (2004): “The status of the German auxiliary werden as a ‘grounding predication’.” - In: Letnes, Ole und Heinz Vater (Hg.) (2004): Modalität und Übersetzung/ Modality and Translation. - Trier: WVT, 33-56.

Mortelmans, Tanja (2001): „An introduction to Langacker’s ‚grounding predications’: mood and modal verbs in German.” - In: Vater, Heinz und Ole Letnes (Hg.) (2001): Modalität und mehr/ Modality and more. - Trier: WVT, 3-26.

Smirnova, Elena [demn.]: Die Entwicklung der Konstruktion würde + Infinitiv im Deutschen. - Berlin usw.: de Gruyter.